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Corona-Schäden bis 2075 – Langfristiger Schaden für Generationen

Rede des CDU-Fraktionsvorsitzenden Karsten Schneider am 30.11.2021 zur Verabschiedung des Haushaltes im Rat der Stadt Velbert





Ausgeglichener Haushalt - der Schein trügt

Die Kommunen sind aufgrund der Corona-Krise mit erheblichen finanziellen Problemen konfrontiert. Sie resultieren aus wegbrechenden (Steuer-)Einnahmen, aber auch neuen Belastungen. Gegenüber der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung aus dem Haushaltsplan 2020, sind die Erträge bedingt durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie dramatisch eingebrochen.

Um dennoch die Ausgaben und Einnahmen in Einklang miteinander zu bringen, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, die durch Corona verursachten Mindererträge und Mehraufwendungen mittels einer außerordentlichen Ertragsbuchung zu aktivieren. Diese Mindererträge bestehen vor allem aus sehr viel geringeren Steuerzahlungen der ortsansässigen Unternehmen, aber auch geringer werdende Anteile an den Lohnsteuerzahlungen der Einwohner aufgrund Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit und der in der Gemeinde generierten geringeren Umsatzsteuerbeträge aufgrund des ins Internet verlagerten Kaufverhaltens.


Corona-Bilanzierungshilfe

Das Corona-Bilanzierungsregelwerk erlaubt den Kommunen den Corona-Mehraufwand als außerordentliche Erträge in dem städtischen Haushalt zu isolieren. Dies hat die Landesregierung möglich gemacht, damit die Kommunen handlungsfähig bleiben und um die Überschuldung abzuwenden.

Allein im Jahr 2022 beträgt der Corona-Schaden in Velbert ca. 19 Mio. Euro, der durch die Corona-Bilanzierungsregeln als außerordentlicher Ertrag verbucht wird.

Insgesamt wird sich die Summe des gesamten Corona-Schadens in Velbert bis zum Jahr 2025 in Richtung von 100 Mio. Euro entwickeln.

Obwohl diese Zahlen katastrophal hoch sind, aus Sicht der Lage vor einem Jahr, als der Lockdown zum Brechen der zweiten Welle das öffentliche Leben annähernd lahmlegte und noch keine Impfungen verfügbar waren, sah der Schaden durch Corona auf die städtischen Finanzen noch viel schlimmer aus.

Ob die stetige Normalisierung jedoch von Dauer ist, wird sich erst in den nächsten Monaten und Jahren zeigen. Keiner kann aus heutiger Sicht sagen, wie sich der Corona-Schaden ggf. durch Mutationen des Virus auf der einen Seite und die technische Weiterentwicklung der Impfstoffe auf der anderen Seite entwickeln wird.


Doch was bedeutet dieser außerordentliche Ertrag genau?

Die außerordentlichen Erträge sind keine wirklichen Erträge, sie sind lediglich fiktiv und der städtische Haushalt verfügt über keine zusätzliche Liquidität. Deswegen fällt es mir auch schwer, von der Corona-Bilanzierungshilfe zu sprechen.

Hilfe hört sich für mich so an, dass irgendjemand der Stadt unter die Arme greift, und den Schaden trägt.

Das genaue Gegenteil ist der Fall. Jeder Euro der sogenannten Bilanzierungshilfe muss als Kredit aufgenommen werden. In der Summe wird die Stadt bis 2025 100 Mio. Euro neue Schulden im städtischen Haushalt, verursacht durch die Coronakrise, angehäuft haben.

Es läuft also für die Kommune auf eine zusätzliche Kreditaufnahme hinaus, der dann in der Bilanz ein fiktives Vermögen gegenübergestellt wird – ein reiner Buchhaltungstrick. Um die Bilanz von diesem fiktiven Vermögen zu befreien, wird der Wert des fiktiven Vermögens ab 2025 bis maximal zum Jahr 2075 durch jährliche Abschreibung auf 0 reduziert.

Der vorliegende Haushalt belastet damit die nachfolgenden Generationen für die nächsten 53 Jahre in Folge der Corona-Pandemie nachhaltig.

Rund 2 Mio. Euro werden wir mindestens zusätzlich jährlich aufbringen müssen, um diese Schulden abzahlen zu können. Bei den 2 Mio. EUR sind noch keine Zinsen einberechnet. Doch glaubt tatsächlich jemand, dass das Zinsniveau die nächsten 50 Jahre auf dem Nullzins-Niveau von heute bleibt?

Ich hätte es aber auch nicht für richtig gehalten, den Corona-Schaden innerhalb einer Legislaturperiode ab dem Haushaltsjahr 2025 aus den Büchern zu tilgen, um die nachfolgenden Generationen nicht über die nächsten 50 Jahre mit den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie zu belasten. Dieser Ansatz übersteigt bei weitem die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt Velbert und entspricht auch nicht meinen Haushaltsgrundsätzen, ebenso wenig denen meiner Fraktion, des Bürgermeisters Dirk Lukrafka und dem Kämmerer Christoph Peitz.

Aber auch wenn wir in den letzten Jahren sehr gut gewirtschaftet haben und als Stärkungspakt-Kommune unseren städtischen Haushalt wieder ins Gleichgewicht bringen konnten, so trifft uns die Pandemie besonders, denn unser gespartes Eigenkapital reicht nicht aus, um den Schaden kurzfristig auszugleichen.

Das Corona-Bilanzierungsregelwerk hilft uns als Kommune nur kurzfristig, indem es Liquidität verschafft und die coronabedingten finanziellen Einbußen in die Zukunft verschiebt. Es ersetzt keine direkten, nicht rückzahlbaren Finanzhilfen von Bund und Land.


Schlüsselzuweisungen

Umso dankbarer können wir sein, dass ein zweiter Sondereffekt, ebenfalls die städtischen Finanzen für 2022 von der Einnahmeseite sichert. Velbert erhält im nächsten Haushaltsjahr 43,5 Mio. Euro Schlüsselzuweisungen gemäß dem Gemeindefinanzierungsgesetz des Landes NRW. Wir sind sehr dankbar, dass die Landesregierung erkannt hat, dass vor allem nicht nur Großstädte der Metropolregion an der Steuerverbundmasse profitieren sollten, sondern eben auch die kreisangehörigen Städte wie Velbert, die in besonderer Weise von der Automobilindustrie abhängen und sich im Strukturwandel befinden.

Einen Wermutstropfen möchte ich jedoch nicht verschweigen. Wer sich die Details zum Gemeindefinanzierungsgesetz anschaut, erkennt schnell, dass der Anstieg der Schlüsselzuweisungen nicht nachhaltig ist.

Um heute als Corona-Unterstützung mehr auszahlen zu können, als eigentlich verfügbar ist, werden Lasten in die Zukunft verschoben. Das Darlehen dazu wird mit den Auszahlungsansprüchen der Folgejahre verrechnet und wir können heute schon mit hinreichender Sicherheit sagen, dass uns ab 2025 nicht nur die Abschreibungen der Corona-Bilanzierungshilfe treffen wird, sondern auch eine nicht unerhebliche Reduzierung der Schlüsselzuweisungen ins Kontor schlagen wird.


Überschuldung in Sicht

Nur durch die Zuhilfenahme der Bilanzierungsregeln für den Coronaschaden liegt uns ein ausgeglichener Haushalt vor. Ohne diese Hilfe wäre die Stadt Velbert seit einem halben Jahr bilanziell überschuldet und das Eigenkapital der Stadt vollständig aufgezehrt.

Im Grunde muss man daher sehr ehrlich sagen, dass wir in den nächsten Jahren unvorstellbar hohe Defizite durch die Pandemie aufweisen werden: Im Jahr 2022 ein Defizit in Höhe von -19 Mio. Euro und ausgehend von der Planung zum Zeitpunkt der Haushaltseinbringung: in 2023 rund –21 Mio. Euro, in 2024 rund -15 Mio. Euro und rund 10 Mio. Euro in 2025.

Faktisch sind wir ohne die bilanzielle Isolierung überschuldet!


Der Blick auf die folgenden Risiken zeigt, auf welch wackligen Füßen unser städtischer Haushalt derzeit steht, denn jetzt fangen die Probleme erst richtig an:

1. Verfolgt man die politische Diskussion im Land und im Städte- und Gemeindebund, so ist noch unklar, ob für das Haushaltsjahr 2023, die Coronaschäden noch bilanziell isoliert werden dürfen. Die Gewerbesteuererträge vieler Gemeinden bewegen sich bereits wieder auf das hohe Niveau, vor dem Beginn der Corona-Pandemie, zu.

Entscheidet sich die Landesregierung dagegen, so werden wir das Eigenkapital bereits 2023 verbrauchen und die Überschuldung der Stadt Velbert wird gemäß § 75 der Gemeindeordnung dann gegeben sein, da nach der Bilanz das Eigenkapital verbraucht ist. Die Überschuldung ist gesetzlich verboten, somit wird die Kommune von Seiten der Kommunalaufsicht gezwungen, Leistungen zu reduzieren und Gebühren und Steuern zu erhöhen.

2. Ebenso offen ist die Frage, ob Velbert auch in Zukunft mit vergleichbar hohen Schlüsselzuweisungen – wie im Jahre 2022 mit 43,5 Mio. Euro – rechnen darf und davon dauerhaft und nachhaltig profitieren kann.

3. Die Zinslastquote der Stadt Velbert ist mit 1,5 Prozent im Jahre 2022 sehr gering, doch angesichts der hohen Inflation wird am Geldmarkt eine Zinserhöhung durch die Europäische Zentralbank (EZB) Ende 2022 bereits fest eingepreist. Steigende Zinsen können schnell den kommunalen Handlungsspielraum einschränken.

Die CDU-Fraktion im Rat der Stadt Velbert sieht neben der enormen Neuverschuldung vor allem die Gefahr, dass diese großen Haushaltsrisiken bereits ab 2023 eintreten und die Kommunalaufsicht den Rat der Stadt zu einem enormen Einschnitt in Form von Erhöhung der Hebesätze für Gewerbe- und Grundsteuer zwingen wird.

Beides wäre eine Katastrophe für Velbert und würde die konjunkturelle, als auch die postcoronale Erholung unserer Unternehmen und Bürger massiv ausbremsen.


Handlungsspielraum sinkt

Wie hoch der Anteil des Gewerbesteuerausfalls ist, der tatsächlich durch die Coronapandemie verursacht wurde, bleibt abzuwarten.

Vor dem Hintergrund, dass der PKW-Absatz im letzten Jahr um 24 % in Europa eingebrochen[1] ist, liegt die Annahme nahe, dass dies Folgen für unsere Unternehmen der Automobilzulieferindustrie vor Ort haben wird und die Gewerbesteuer sich nur durch einen konsequenten Strukturwandel verbessern lässt. Die Entwicklung von Gewerbeflächen und die Ansiedlung von Unternehmen bleibt daher zentrale Aufgabe für uns Politiker und die Wirtschaftsförderung.

Deshalb ist es ein Hohn, dass die Ratsmehrheit aus Grünen, SPD, FDP und weiteren Klein-Fraktionen einzig und allein die Wirtschaftsförderung und das Stadtmarketing als Quelle für Einsparvorschläge ausgemacht hat. Anstatt zu erkennen, dass jede Mehrausgabe im aktuellen und im nächsten Haushaltsjahr nur kreditfinanziert möglich ist, wird weiter draufgesattelt.

Kommt es zu einer Überschuldung, legt das Haushaltsrecht den Kommunen enge Fesseln an, die in einer solchen Krisensituation kaum andere Möglichkeiten lassen als Ausgaben drastisch zu reduzieren und Steuern deutlich zu erhöhen.


Nachhaltige Optimierung kommunaler Aufgaben und Prozesse

Wir sehen die Notwendigkeit alle kommunalen Prozesse professionell auf den Prüfstand zu stellen, um Maßnahmen zur Prozessoptimierung zu identifizieren. Es gibt viele Gründe, warum wir als Kommune die Prozesse optimieren sollten: Digitalisierung, E-Gouvernement, Qualitätsmanagement, Fachkräftemangel und eben auch die nachhaltige Haushaltskonsolidierung.

Wir sind gezwungen nennenswerte Rationalisierungs- und Qualitätssteigerungspotentiale zu erschließen. Ein Prozess, den Bürgermeister Dirk Lukrafka dankenswerter Weise angestoßen hat. Diesen Weg müssen wir konsequent gemeinsam gehen. Dieser Umbruch wird auch einen neuen Geist in bürokratische Behördenflure bringen.

Unser Ziel ist es, auch künftig politische Handlungsspielräume zu erhalten und Gestaltungsmöglichkeiten bei freiwilligen Aufgaben nicht zu verlieren, vor allem vor dem Hintergrund der großen gesellschaftlichen Herausforderungen und auch neuer kommunaler Pflichtaufgaben, wie beispielsweise der neue Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung der Grundschulkinder, der massive Investitionen in unsere Grundschulstandorte auslösen wird. Aus heutiger Sicht kann ich nicht ausschließen, dass in den kommenden Jahren mehrere Grundschulgebäude neu gebaut werden müssen, weil an den bisherigen Standorten der Platz für die Ganztagesbetreuung nicht dargestellt werden kann.


Blick in die Zukunft

Richtet man den Blick nicht nur auf unsere Neuschulden, sondern auch auf die Altschulden, so wird deutlich, dass wir es nicht aus eigener Kraft schaffen, die Verschuldung zurückzufahren. Um künftig handlungsfähig zu bleiben und die notwendige Daseinsvorsorge in allen drei Stadtteilen hinreichend zu gewährleisten, bedarf es eines Schuldenschnittes für Velbert und 2500 weitere Kommunen in Deutschland. Nur so lässt sich die im Grundgesetz postulierte

Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland erhalten. Ansonsten verfestigen sich die regionalen Unterschiede weiter.

Man muss nicht in die Ferne schauen, um die Unterschiede zu sehen. Es genügt der Blick zu den kreisangehörigen Städten in direkter Grenzlage zu Düsseldorf.

Deshalb ist nach Meinung vieler Experten ein Schuldenschnitt erforderlich, der beim Abbau der kommunalen Kassenkredite ansetzt. Damit ein solcher Schuldenschnitt aber nachhaltig die Probleme der benachteiligten Kommunen löst, muss er Hand in Hand mit einer Reform der Gewerbesteuer einhergehen, so dass die Erträge daraus planbarer werden und vor allem der Kannibalismus der Gemeinden untereinander endet. Wenn wir im Großen gegen globale Steuervermeidungsstrategien wettern und Steueroasen brandmarken, dann dürfen wir nicht im Kleinen daran festhalten.


In folgenden Bereichen zeichnen sich enorm hohe Investitionen ab:

  • Schule und Bildung mit dem Neubau der Gesamtschule Neviges, dem Neubau der Grundschule Pestalozziplatz und dem Ausbau der Ganztagesbetreuung,

  • der weitere Kindergarten-Ausbau um den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen,

  • der im Brandschutzbedarfsplan vorgeschlagene Neubau einer zentralen Rettungs- und Feuerwache,

  • noch nicht evaluierbare Investitionen und den Hochwasser- und Überflutungsschutz

Dadurch wird der finanzielle Handlungsspielraum zukünftig dauerhaft durch die Kreditaufnahme und die Abschreibungen eingeschränkt. Ohne die Schaffung von Liquiditätsreserven werden wir Velbert lediglich verwalten, aber nicht mehr gestalten können.


Wie auch schon die letzte Haushaltsberatung ist diese ebenso davon geprägt, dass es nicht der Zeitpunkt für Geschenke an die Wählerschaft ist.

Wünsch-Dir-Was-Entscheidungen, wie gebührenfreie Kitas, die komplett kreditfinanziert sind und die enorme Folgekosten hinsichtlich des Personals und neuer Einrichtungen mit sich bringen. Denn jetzt, wo der Kitaplatz nichts mehr kostet, buchen die Eltern das maximale Betreuungskontingent für ihr Kind, auch wenn sie es nur gelegentlich brauchen. Damit steigt der Bedarf nach Plätzen deutlich!

Wünsch-Dir-Was-Entscheidungen, wie ein millionenschwerer Klima- und Artenschutz-Fond durch die Stadt.

Wünsch-Dir-Was-Entscheidungen, wie ein Velbert-Pass für sozial benachteiligte Einwohner um kostenfrei Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können.

Ein "Wünsch-Dir-Was" für die Parteien und Fraktionen, die die Mehrheit im Rat stellen, kann sich nur eine Gemeinde leisten, die reale Überschüsse erwirtschaftet. Wir in Velbert können dagegen nur Millionendefizite anbieten.



Karsten Schneider, 30.11.2021, Velbert

[1] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Textsammlungen/Branchenfokus/Industrie/branchenfokus-automobilindustrie.html


Weitere Informationen zum Haushaltsplan 2022 finden sie hier

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